Regale, die Raumklima steuern: Kapillaraktive Lehm-PCM-Module als wohnliche Klimapuffer
Warum nur lagern, wenn ein Regal auch kühlen, entfeuchten und Schall dämpfen kann? Während Smart-Home-Gadgets boomen, fristet kluge Materialwahl in Möbeln ein Nischendasein. Kapillaraktive Lehmregale mit integrierten Phasenwechselmaterialien (PCM) sind ein nahezu unbekannter Ansatz, der Feuchte puffert, Tageswärme speichert und Temperaturschwankungen glättet – ganz ohne aktive Lüftung, lautlose Technik, reparierbar und wohngesund.
Was ist ein Lehm-PCM-Regal?
Ein Lehm-PCM-Regal kombiniert drei Bausteine:
- Kapillaraktiver Lehm (Lehmfeinmörtel, Leichtlehm oder Lehmbeton) als tragende und feuchteregulierende Schicht.
- PCM-Einsätze (mikroverkapselte Wachse oder biobasierte Fettsäuren) mit Schmelzpunkt 22–24 °C zur latenten Wärmespeicherung.
- Offenporige Front (gefräste Schlitzung oder Gitter) für Kontakt zur Raumluft – ohne Ventilator.
Im Tagesverlauf nimmt der Lehm Luftfeuchte auf und gibt sie später wieder ab, während das PCM überschüssige Wärme beim Schmelzen bindet und abends beim Erstarren wieder abgibt. Das Ergebnis: spürbar stabileres Raumklima in Wohn-, Schlaf- oder Arbeitsräumen.
Funktionsprinzip: Feuchte, Wärme, Akustik
1) Hygroskopie & Kapillarität
Lehm besitzt eine hohe Sorptionsfähigkeit. Poren- und Kapillargefüge nehmen Wasserdampf auf, sobald die Raumluftfeuchte steigt, und geben ihn ab, wenn sie sinkt. Praktisch bedeutet das: kurzfristige Spitzen – etwa beim Kochen, Duschen oder bei vielen Personen – werden abgefedert. Gut ausgelegte Flächen erreichen Feuchtepuffer von 30–60 g/m² pro Feuchtesprung (abhängig von Mischrezeptur und Oberfläche).
2) Latente Wärmespeicher (PCM)
Phasenwechselmaterialien speichern Wärme nicht nur als Temperaturanstieg, sondern während des Schmelzens. Typische Kennwerte:
- Schmelzbereich: 22–24 °C (Wohnkomfort)
- Latente Speicherfähigkeit: 140–200 kJ/kg
- Zyklusfestigkeit: > 5.000 Zyklen bei Qualitätskapseln
In ein 80 cm langes, 30 cm tiefes Regalfach passen z. B. 1–2 kg Mikrokapseln in Lehm-Matrix – genug, um Temperaturspitzen zu glätten (z. B. spätnachmittags im Westzimmer) und die gefühlte Behaglichkeit zu erhöhen.
3) Akustische Wirkung
Die offenporige Lehmmatrix und geschlitzte Fronten wirken breitbandig schallabsorbierend (v. a. mittlere Frequenzen). Das ist ideal für Wohnzimmer, Arbeitszimmer oder Studios, in denen Regalflächen ohnehin vorhanden sind – sie werden quasi zu Akustikmöbeln.
Aufbau eines Lehm-PCM-Regalmoduls
- Trägerplatte: Holzwerkstoff (Pappel oder Birke) oder Metallrahmen, 18–22 mm
- Lehmkern: 12–20 mm kapillaraktiver Lehmfeinputz, offenporig
- PCM-Einbettung: 1–2 kg/m Fachfläche in Lehm gebunden, Schmelzpunkt 23 °C
- Front: gefräste Schlitzung (3–6 mm, 30–40 % Offenfläche) aus Holz oder Ton
- Rückseite: diffusionsoffenes Vlies (Schutz vor Staub), sd < 0,3 m
- Befestigung: verdeckte Schiene oder Wandkonsolen, Traglast je nach Wandaufbau 20–50 kg/Fach
Planung & Dimensionierung
Damit das Möbel klimawirksam wird, zählen Fläche, Gewicht und Position.
- Regalfläche: 0,8–1,5 m² klimaktive Fläche pro 10 m² Raum ist ein guter Startwert.
- PCM-Anteil: 0,8–1,5 kg PCM pro m² klimaktive Fläche für Wohnräume, 1,5–2,5 kg für stark besonnte Räume.
- Positionierung: Nicht hinter Glas schließen; Luft muss an die Front. Abstand zur Außenwand: mind. 10 mm für Hinterlüftung.
- Lasten: Lehm bringt Masse. Pro Fach 6–12 kg Systemgewicht einplanen – plus Bücher, Pflanzen etc.
| Raumtyp | Empfohlene Fläche | Hinweis |
|---|---|---|
| Wohnzimmer (20 m²) | 2–3 m² Frontfläche | West-/Südseite begünstigt PCM-Nutzen |
| Schlafzimmer (12 m²) | 1–1,5 m² | Lehmfront nahe Kopfteil verbessert Feuchtekomfort |
| Homeoffice (10 m²) | 0,8–1,2 m² | Akustik + Temperaturspitzen am Nachmittag |
| Bad (6 m²) | 0,6–1 m² | Nur spritzwassergeschützt; geölte Tonfront |
Materialwahl: natürlich, robust, reparierbar
- Lehmrezeptur: Feinputz 0–1 mm, Stroh- oder Zellulosefasern (0,5–1 %) zur Rissminimierung.
- PCM-Typ: Paraffin (bewährt, neutral) oder biobasiert (Fettsäuren). Schmelzpunkt 22–24 °C für Wohnnutzung.
- Frontmaterial: Tonfliese (3D-Struktur) oder massiv Holz mit Langschlitzen. Oberfläche diffusionsoffen (Wachs/Seife statt PU-Lack).
- Befestigungselemente: Stahlkonsolen ≥ 2,5 mm, Schwerlastdübel für Mauerwerk; Hohlwand mit Traversen.
Platzierung nach Raumtyp
Wohnzimmer
Über Sofa oder Lowboard als medienfreundliche Akustikfläche. Schlitzrichtung variieren (Diffusion). Süd-/Westwand: PCM profitiert von Nachmittagswärme.
Schlafzimmer
Kleine Lehm-PCM-Nischen über Kommode stabilisieren Feuchte in der Nacht. Lichtarme Oberfläche, matte Tonlasur.
Homeoffice & Studio
Rückwandregal mit 30–40 % Offenfläche reduziert Flatterechos. PCM puffert Nachmittagsspitzen durch Geräteabwärme.
Bad & Flur
Im Bad nur außerhalb der direkten Spritzzone; Tonfront leicht geölt. Flur: Lufttrocknung von Jacken wird beschleunigt.
DIY: Ein 100 cm Regalfach aufbauen
Materialliste
- 2 × Seitenwange 30 × 100 × 2,0 cm (Birke Multiplex)
- 1 × Rückwand 30 × 100 × 1,2 cm (diffusionsoffen, MDF natur oder Holzfaser)
- Lehmfeinputz 8 kg + Faserzusatz
- PCM-Mikrokapseln 1,2 kg (Schmelzpunkt 23 °C)
- Frontgitter Ton/ Holz mit Schlitzung, 30 × 100 cm
- Schwerlastkonsolen + Dübel (tragfähig für ≥ 40 kg)
- Bienenwachsseife oder Silikatlasur (diffusionsoffen)
Schritt-für-Schritt
- Holzteile zuschneiden, trocken montieren.
- Lehm anmischen. PCM zuletzt vorsichtig unterheben (nicht stark rühren).
- Lehm-PCM-Matrix 12–15 mm auf Rückwand und Seiten innen aufziehen; 24 h antrocknen lassen.
- Frontgitter mit Distanz (5–8 mm) montieren – Luftkontakt sicherstellen.
- Regal an der Wand ausrichten, Konsolen setzen, verschrauben.
- Oberflächen mit Wachsseife dünn behandeln. Kein PU-Lack.
Bauzeit: ca. 3–4 h plus Trocknung | Kosten: ~ 180–280 € je Fach (Materialqualität abhängig).
Sicherheit & Technikhinweise
- Gewicht prüfen: Lehmmasse erhöht Eigengewicht. Wanduntergrund und Dübelklasse passend wählen.
- Feuchtezonen meiden: In Nasszellen spritzwasserfrei montieren; Tropfkanten vorsehen.
- Temperaturbereich: PCM über 40 °C vermeiden (z. B. direkte Ofennähe).
- Reparatur: Abplatzer mit Lehmspachtel schließen; Front bleibt schraubbar.
Praxiswerte & Fallstudie
Fallstudie: Altbau-Wohnzimmer 18 m² (Westlage)
- Installation: 2,4 m² Lehmfront, 2,8 kg PCM gesamt
- Messfenster: 6 Sommerwochen, Innenfühler (20-min Log)
- Ergebnis:
- Max. Nachmittagsspitze an Hitzetagen: –0,8 bis –1,3 K gegenüber Referenzraum
- Abendlicher Temperaturverlauf: flacher, späterer Peak
- Relative Luftfeuchte: ±5–8 % geringere Schwankung nach Gästeabenden
- Nachhallzeit (500–1.000 Hz): –0,12 s durch Schlitzfront
Die Werte sind richtungsweisend; Effektstärke hängt von Fensterfläche, Lüftung und Masse ab.
Oberflächen & Design
- 3D-Tonfronten (Welle, Rauten) erhöhen Absorptionsfläche.
- Holzarten: Thermo-Esche oder Kiefer mit Seife/Öl – warm, diffusionsoffen.
- Farbgebung: Lehm mit Pigmenten (Ocker, Umbra) oder Silikatlasur – matt, mineralisch.
- Modularität: Schmale Module (40 cm) alternierend mit geschlossenen Fächern für Rhythmus im Raum.
Pflege & Betrieb
- Fronten staubtrocken mit weicher Bürste reinigen; keine filmbildenden Reiniger.
- Einmal jährlich Sichtprüfung auf Haarrisse; punktuell mit Lehmspachtel ausbessern.
- Bei Umzügen: demontierbar; Lehmflächen lassen sich nachbefeuchten und neu glätten.
Optionale Sensorik (matter-/wifi-frei oder smart)
Wer messen will, nutzt einen unauffälligen Temp-/Feuchtefühler im Regalfach. Daten helfen bei Lüftungsentscheidungen (Stoßlüften, Nachtkühlung). Smart-Home-Fans können mit Matter-fähigen Sensoren Szenen auslösen (z. B. Jalousie ab 26 °C zu, Fensterkontakt erinnert ans Lüften). Das Regal selbst bleibt passiv – keine Stromaufnahme.
Nachhaltigkeit
- Lehm ist regional verfügbar, wiederverwertbar und VOC-frei.
- PCM wahlweise biobasiert; Mikrokapseln gebunden in mineralischer Matrix.
- Schraubbare Konstruktion erlaubt sortenreinen Rückbau und Reparatur statt Ersatz.
Pro / Contra kurzgefasst
| Aspekt | Pro | Contra |
|---|---|---|
| Klima | Geglättete Feuchte- und Temperaturschwankungen | Wirkt graduell, ersetzt keine Dämmung/Kühlung |
| Akustik | Spürbar weniger Echo | Tiefer Bass bleibt unbeeinflusst |
| Design | Warme, matte Oberflächen | Front muss offen bleiben (kein Glas) |
| Montage | DIY-geeignet | Höheres Gewicht, solide Dübel nötig |
| Ökologie | Mineralisch, reparierbar | PCM-Qualität und Herkunft prüfen |
Kostenübersicht
- Material: 150–300 € pro lfm (1 m × 0,3 m), abhängig von Front und PCM-Menge.
- Fertige Module (Manufaktur): 450–900 € pro lfm.
- Wartung: minimal; alle 3–5 Jahre Oberflächenpflege.
Häufige Fehler – und wie man sie vermeidet
- Versiegelte Fronten: PU-Lack blockiert Feuchte- und Wärmeaustausch. Besser: Wachs/Seife.
- Zu wenig Masse: Dünne Lehmauflagen wirken schwach. Mindestens 12 mm anstreben.
- Falscher Standort: Direkt an Heizkörpern oder in Dauernässe verliert das System Wirkung.
Fazit: Möbel als leise Klimapartner
Lehm-PCM-Regale verbinden Stauraum, Akustik und passives Klimamanagement in einem Bauteil – unauffällig, nachhaltig und ohne Betriebsgeräusch. Wer spürbar stabilere Luftfeuchte und abgeflachte Hitzespitzen möchte, kann mit 1–3 m² aktiver Regalfläche pro Raum starten.
CTA: Beginnen Sie mit einem 100-cm-Modul im meistgenutzten Raum, messen Sie 4 Wochen Temperatur/Feuchte – und erweitern Sie bei Gefallen schrittweise zu einer klimawirksamen Regalwand.